Die Fernsignatur in der Praxis – Anwendungsszenarien
Veröffentlicht am 11.05.2020
Wofür braucht man eigentlich eine Fernsignatur? Was ist anders als bei der handschriftlichen Unterschrift? Wer kann sie wofür einsetzen und welche Vorteile bringt sie? In unserem Magazinartikel finden Sie Antworten.
Fernsignatur als zentrales Werkzeug für die digitale Transformation
Handschriftlich unterschriebene Dokumente sind eines der größten Hemmnisse für durchgängig elektronische Workflows. Die digitale Signatur bietet eine technisch ausgereifte und rechtssichere Alternative. Mit der sogenannten Fernsignatur hat die EU in ihrer Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS) ein vereinfachtes Verfahren für die elektronische Unterschrift geschaffen, um die Herkunft eines Dokuments rechtssicher zu belegen. So wird die Fernsignatur zu einem zentralen Werkzeug der digitalen Transformation.
Die Fernsignatur ermöglicht es, eine elektronische Unterschrift aus der Ferne auszulösen, zum Beispiel über mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones. Dabei werden die für die Signatur-Erstellung notwendigen Bestandteile, etwa Zertifikate und Schlüsselkomponenten, auf hochsicheren Servern eines externen Dienstleisters vorgehalten. Dies erlaubt Anwendern den Verzicht auf Signaturkarte, Kartenlesegerät und Signatur-Software.
Die meisten Unternehmen wünschen sich elektronische Dokumente und durchgehend digitale Prozesse. Die Realität sieht aber noch anders aus. Denn oft ist die händische Unterschrift entweder rechtlich vorgeschrieben oder unternehmensintern festgeschrieben. So fand der IT-Fachverband AIIM (Association for Information and Image Management) in einer weltweiten Studie heraus, dass 50 Prozent der Unternehmen Dokumente nur wegen der benötigten Unterschrift ausdrucken1.
Konsequent medienbruchfrei
Digitale Signaturen bieten einen Ausweg aus dieser ineffizienten Unterschriftenpraxis. Denn nur durch elektronisches Unterschreiben lassen sich Geschäftsprozesse konsequent medienbruchfrei gestalten.
Von allen Signatur-Typen besitzt die sogenannte qualifizierte elektronische Signatur (QES) das höchste Sicherheitsniveau. Dokumente mit QES ersetzen als elektronische Form die per Gesetz geforderte Schriftform auf Papier.
Anwendungen für viele Branchen und Zwecke
Noch ist der Verbreitungsgrad digitaler Signatur-Lösungen eher gering. Doch wird sich dies in der Zukunft ändern. Denn die Anwendungsszenarien sind umfangreich und betreffen die unterschiedlichsten Branchen:
Banken und Versicherungen
Im Bankensektor spielen Fernsignaturen bei der Kontoeröffnung und der Kreditvergabe eine Rolle – vom elektronischen Identitätsnachweis bis zur digital geleisteten Unterschrift des Kunden. Früher war etwa die Aufnahme eines Kredits für Kunden aufwändig: sie mussten entweder eine Filiale aufsuchen und das Anliegen vor Ort mit dem Bankberater regeln oder das Postident-Dokument aus dem Internet herunterladen und ausfüllen, den Kreditantrag ausdrucken und unterschreiben, alles zur Post bringen und auf die schriftliche Zusage warten. Heute braucht man dafür in der Regel nur wenige Minuten und kann den Kreditvertrag medienbruchfrei online abschließen.
Die Fernsignatur macht auch für viele Versicherungen den Weg frei für digitalisierte Antrags- und Entscheidungsprozesse. Darin eingeschlossen sind beispielsweise alle Anträge, die Gesundheitsfragen enthalten, etwa bei Policen für Lebensversicherungen oder private Krankenversicherungen. Weitere Anwendungsbereiche sind gesetzlich vorgeschriebene Beratungsprotokolle und Schadensmeldungen, die ebenfalls elektronisch unterschrieben werden müssen.
Behörden
Öffentliche Verwaltungen können die Fernsignatur für alle Prozesse nutzen, bei denen die Unterschrift des Antragstellers gesetzlich gefordert ist. Dazu gehören zum Beispiel Förderanträge, Baugenehmigungen, Abfallbegleitscheine sowie Dokumentationen zum Erwerb von Zertifikaten im Emissionshandel. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen kommt die Fernsignatur über E-Vergabe-Plattformen zum Tragen: Durch die Überführung von bisher papierbasierten Abläufen in elektronische Workflows reduziert sich nach den Berechnungen der EU-Kommission der Zeitaufwand von ein bis zwei Wochen auf maximal wenige Tage und die Kosten sinken von 100 Euro auf 10 Euro pro Antrag.
Industrie
Die Anwendungsfelder von Fernsignaturen erstrecken sich über alle Bereiche eines Unternehmens. Heute lässt sich z. B. das Management von Verträgen komplett medienbruchfrei abbilden. Die rechtsgültige digitale Signatur kann bei einer Bestellung von beiden Vertragspartnern einfach und schnell elektronisch ausgelöst und anschließend archiviert werden. Ein Prozess, der früher mindestens eine Woche in Anspruch genommen hat, ist nun in weniger als 20 Minuten erledigt. Zudem steigert die Fernsignatur die Produktivität beim Vertragsmanagement. Mobil unterschriebene Verträge und Vereinbarungen mit Lieferanten sorgen für kostengünstige und effiziente Einkaufs-Workflows. In Personalabteilungen unterstützen Fernsignaturen sogenannte Onboarding-Prozesse, die das Einstellen und die Integration neuer Mitarbeiter beinhalten. Bewerber – auch aus dem Ausland – können beglaubigte Versionen der Zeugnisse und Urkunden online einreichen. Neue Arbeitsverträge sind durch digitale Signaturen innerhalb weniger Stunden vereinbart. Und per mobiler Unterschrift bestätigen die Mitarbeiter den Erhalt wichtiger Informationen wie Änderungen in den Geschäftsbedingungen oder Serviceanpassungen.
Krankenhäuser
Bei Patientenakten ist oft eine Unterschrift gesetzlich vorgeschrieben, bevor bestimmte Patienteninformationen in die elektronische Patientenakte aufgenommen werden dürfen. Etwa Formulare, die der Röntgen- oder Strahlenschutzverordnung oder dem Bluttransfusions- und Organtransplantationsgesetz unterliegen. Auch Wahlleistungsvereinbarungen, Aufklärungsbogen und OP-Einwilligungserklärungen erfordern Unterschriften. All diese Formular- und Dokumententypen lassen sich mit der Fernsignatur einfach und ortsunabhängig mit mobilen Endgeräten unterschreiben. Die Fernsignatur kann auch das Notfallmanagement von Krankenhäusern auf eine neue Qualitätsstufe heben: Künftig könnte ein Notarzt schon im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus die Notfalldokumentation für seine Patienten auf einem Tablet-PC erstellen. Dazu gehören auch zentrale Informationen für die Weiterbehandlung – etwa Erstdiagnose und verabreichte Medikamente. Per Mausklick übermittelt der Notarzt das Dokument elektronisch an die Klinik. Beim Eintreffen des Patienten ist die Notaufnahme bestens vorbereitet und die Behandlung kann ohne Verzögerung und mit optimaler Informationsversorgung beginnen. Der Notarzt leistet die gesetzlich geforderte Unterschrift bequem digital mit Tablet und Smartphone.
Nutzerfreundlich, mobil und vertrauenswürdig
Fazit: Die Fernsignatur steigert die Nutzerfreundlichkeit der elektronischen Unterschrift, ist vertrauenswürdig und rechtsverbindlich, etabliert Signatur-Prozesse in mobilen Umgebungen – inklusive Webbrowsern und Apps – und schafft damit komplett neue Signatur-Anwendungsszenarien.
1AIIM White Paper, E-Signatures in Europe, 2016